In unserer Beratungsarbeit wird uns häufig die Frage gestellt: “Müssen Jobsharer:innen im Tandem eigentlich immer gleich bezahlt werden?” Und wer den Dschungel aus Eingruppierungen, Gehaltsbändern und Jobgrades in vielen Konzernen kennt weiß: wenn plötzlich zwei Menschen auf einer Position gemeinsam arbeiten, ist gleiche Bezahlung manchmal gar nicht so einfach!
Kim Anh Hoang Thi der Universität Hamburg hat in ihrer Masterarbeit das Thema "Wie kann ein gerechtes Compensaton & Benefit System für Jobsharer:innen gestaltet werden?", erforscht und wir haben Ihre Masterarbeit unterstützt und begleitet.
In diesem Blogartikel erklärt sie uns die Erkenntnisse ihrer Interview-Studie.
Für viele ist das Thema Compensation & Benefits ja eher trocken. Du hast dich aber ganz bewusst für dieses Thema in deiner Masterarbeit mit Blick auf das Jobsharing-Modell entschieden, warum?
Aus meiner Sicht ist das Thema der fairen Entlohnung aus vielerlei Gründen relevant, denn es ist auch ein wichtiger Faktor für die Akzeptanz, Verbreitung und das Gelingen von Jobsharing! Und dann gibt es im Jobsharing einen besonders interessanten Aspekt, der sich von „Nicht-Jobsharer:innen“ unterscheidet: in meiner Studie zeigt sich deutlich, dass die Tatsache an sich im Jobsharing Modell zu arbeiten, bereits einen immateriellen Wert für die Jobsharer:innen darstellt. Das Tandemship selbst wird also schon als großer Benefit wahrgenommen, der dann mit materiellen Aspekten in Bezug gesetzt wird. Am Ende ist dann das Gesamtpaket des Compensation und Benefits Systems entscheidend für die Zufriedenheit der Jobsharer:innen.
Interessant! Da zeigt sich wieder, dass Gehalt nicht alles ist. Welche „immaterieller Wert“ ist es denn genau, der durch die Arbeit im Jobsharing Modell erlebt wird?
Das sind Entwicklungs-, Karriere- und Lernmöglichkeiten sowie die emotionale Entlastung, die durch den Perspektivwechsel, gegenseitige Feedbacks und (fachlich) ergänzende Erfahrungen im Tandem wahrgenommen werden. Und vor allem die Möglichkeit, in einer Führungsposition trotz reduzierter Arbeitszeit tätig zu sein. Diese Mehrwerte werden als wertvollste “Leistung“ benannt und haben einen starken Einfluss auf das Gerechtigkeitsempfinden gegenüber dem Compensation und Benefits Gesamtpaket, inklusive des Gehalts. Dann blicken wir doch einmal auf die materielle Seite. Welche Faktoren entscheiden darüber, wie gerecht oder ungerecht das Gehalt wahrgenommen wird? Insgesamt lassen sich aus den Studienergebnissen 6 Faktoren, die das Gerechtigkeitsempfinden bestimmen, ableiten. Vor allem spielt die Beziehung im Tandem und die (Entgelt-)transparenz zwischen den beiden eine große Rolle. Hinzu kommen aber weitere Faktoren: einmal der bislang gegangene Karriereweg, dann die Höhe der Gehaltsdifferenz und die Vergleichspositionen. Sprich, mit wem ich mich eigentlich vergleiche, innerhalb des Tandems, mit anderen Kolleg:innen auf derselben Karrierestufe oder auch mit anderen Menschen im Unternehmen. Letzter wichtiger Faktor ist die Transparenz vom Unternehmen mit Bezug auf Gehalt und Benefits.
Transparenz spielt also im doppelten Sinne eine große Rolle?
Richtig, sie wurde von allen Befragten als Schlüsselkomponente genannt. Innerhalb des Tandems sowie von Seiten des Unternehmens gegenüber den Jobsharer:innen. Ob in Form von Gehaltsbändern oder einer vertrauenswürdigen Führungskraft, sei dahingestellt.
Gibt es Tandemtypen bei denen die Transparenz, also der offene Austausch zum Thema Gehalt besser oder schlechter funktioniert?
Ja, symbiotische Karrieretandems und Sparringpartner:innen im höheren Management zeichnen sich durch ihre enge Tandembeziehung aus, bei der eine Gehaltstransparenz vorherrscht. Dadurch kann ein direkter Vergleich und eine Bewertung des Gerechtigkeitsempfinden stattfinden. Anders ist dies bei den fremdbestimmten Tandems und strategischen Bündnissen im höheren Management, denn bei denen konnte keine direkte Transparenz nachgewiesen werden. Sie müssen sich auf Gehaltsbänder stützen, sofern diese im Unternehmen vorhanden sind. Es zeigt sich, dass es unterschiedliche Vergleichspositionen gibt, die abhängig sind von der Tandembeziehung und Transparenz innerhalb des Tandems.
Als einen Faktor zur Bewertung des Gerechtigkeitsempfindens hast du das Thema „bisheriger Karriereweg“ angesprochen. Was genau ist hier gemeint?
Hier ist vor allem der Unterschied zwischen interner und externer Karriere gemeint. Mitarbeitende, die dem internen Karriereweg gefolgt sind, kennen die Kriterien der Gehaltsbänder sowie den klar vorgeschriebenen Prozess, sofern diese vorhanden und geltend sind. Diese werden in der Regel anerkannt und nicht hinterfragt, da sie auf verschieden Gerechtigkeitsprinzipien, die von Unternehmen jeweils angewendet werden, basieren. Das sorgt für Transparenz, Nachvollziehbarkeit, Konsistenz und Korrektheit. Schließt sich diese:r Mitarbeiter:in mit eine:r externen Bewerber:in zusammen, kann dies problematisch sein. Denn bei externen Einstellungen werden die Gehaltbänder oft überdehnt oder vernachlässigt, um die zur Auswahl stehende Person an Bord zu holen. Somit zeigt sich, dass das Gerechtigkeitsempfinden hinsichtlich der Entgelttransparenz besonders kritisch ist, wenn unterschiedliche Karrierewege bestritten wurden, eine enge Tandembeziehung und folglich direkte Entgelttransparenz herrscht sowie keine Gehaltsbänder vorliegen, die gleichermaßen gelten.
Kannst du ein konkretes Beispiel aus deinen Interviews nennen? Ein konkretes Beispiel ist eine Jobsharerin, die von extern in die Firma in ein Jobsharing Modell mit einer internen Mitarbeiterin kam. Es fehlten Gehaltsbänder und die „externe“ Jobsharerin verdiente deutlich mehr als ihre Tandempartnerin. Gleichzeitig hatte sie mit ihrer Tandempartnerin eine sehr enge Tandembeziehung. Sie empfand eine große Ungerechtigkeit, insbesondere aufgrund des Jobshares. Was bemerkenswert war: ihre Empörung sorgte dafür, dass sie sich bei gemeinsamen Gehaltsverhandlungen für die Partnerin einsetzte und sogar auf die eigene Gehaltserhöhung verzichtet hätte.
Sind solche Beispiele denn sehr ungewöhnlich oder gibt es häufig Gehaltsdifferenzen?
Kleine Entgeltdifferenzen zeigen sich bei den meisten der Befragten unabhängig von ihrem Tandemtypus und ihrem Karriereweg und werden akzeptiert, denn die vorhandenen Gehaltsbänder sorgen bei den Gehaltsunterschieden für Verständlichkeit und Transparenz. Wenn es einen Anpassungsprozess zur Entgeltangleichung gibt, reduziert das zusätzlich die Differenz. Wenige Tandems verdienen identisch dasselbe. Aber es zeigt sich bei allen Jobsharer:innen ein Gestaltungsgrundsatz für ein gerechtes Compensation- und Benefits System: Gleiche Bezahlung bei gleicher Arbeit! Sollten Unterscheidungen aufgrund von stellen- und personenbezogenen Strukturen vorliegen bei den jeweils bisherigen internen geführten Karrieren, sollte aus ihrer Sicht derselbe prozentuale Anteil bei einer Gehaltserhöhung erfolgen. Bei Junior-Senior Tandems kann das natürlich abweichend sein, diese wurden in meiner Studie allerdings nicht befragt.
Was heißt es für die praktische Umsetzung konkret für Unternehmen?
Für Unternehmen heißt es, dass beim Matching-Prozess Faktoren, die Einfluss auf das Gerechtigkeitsempfinden in Punkto Gehalt nehmen, wie z.B, die Karrierewege, berücksichtigt werden sollten. Das heißt nicht, dass nur Menschen mit ähnlicher Gehaltsstufe zusammen ins Jobsharing gehen sollten. Doch Transparenz ist hier das A und O. Die Kriterien und Bemessungsgrundlagen des Compensation und Benefit System müssen klar kommuniziert werden und verständlich und nachvollziehbar sein. So gilt es, ein System zu gestalten, dass nicht dauerhaft nachteilig wahrgenommen wird, damit sich das Jobsharing Modell im Unternehmen weiterhin etabliert und eine hohe Akzeptanz erfährt. Bevor es ins Jobsharing geht, sollten die Interessen und empfundenen Mehrwerte auch unabhängig vom Gehalt besprochen werden. Und bei unterschiedlichen Startpunkten im Gehalt sollte ein Fahrplan für die nächsten zwei Jahre entwickelt werden. Akademisch ausgedrückt müssen Führungskräfte sowie HR-Verantwortliche erkennen, dass neben der distributiven Gerechtigkeit (Bewertung der Höhe des Entgelts) ebenso die prozedurale (Entgeltfindungsprozess) und die interaktionale Gerechtigkeit (Umgang durch Entscheidende) Einfluss auf die Wahrnehmung von Gerechtigkeit nehmen. Folglich müssen Maßnahmen implementiert werden, bei denen alle Gerechtigkeitsdimensionen mitgedacht werden. Und dann möchte ich noch einmal an den immateriellen Wert erinnern, den die Jobsharer:innen empfinden, dadurch dass sie im Tandem arbeiten. Dieser Wert wiegt positiv im Gerechtigkeitsempfinden. Und dieser Effekt kann vom Unternehmen verstärkt werden. Zum Beispiel dadurch, dass das Tandem in seiner Arbeit im Jobsharing Modell gut begleitet und unterstützt wird. Eine positive Kommunikation und Platzierung im Unternehmen und im direkten Tandemumfeld ist ein konkretes Beispiel, oder eine gut vorbereitete IT-Infrastruktur wie z.B. gemeinsame Email Accounts und tandemfreundliche Systeme mit gleichen Berechtigungen für beide Jobsharer:innen. Das bedeutet allerdings nicht, dass die komplette Verantwortung auf Arbeitgeber:innenseite liegt. Auch Jobsharer:innen selbst können und sollten aktiv sein, wenn es um die Bewertung der Fairness in Punkto Compensation & Benefits im Tandem geht. Dies kann so aussehen, dass sie sich an einen Tisch setzen und darüber sprechen, genau ausloten was für sie materielle und immaterielle Leistungen sind und was für sie individuell, aber auch als Tandem wichtig ist. Nur so kann dieses sensible Thema ganzheitlich bewertet werden. Und nur so entsteht die Grundlage für ein geteiltes Verständnis auch gegenüber der Arbeitgeberseite, sodass eine zufriedenstellende Gestaltung überhaupt umsetzbar ist. Sprich, es muss besprochen werden, was Gerechtigkeit für die Jobsharer:innen individuell bedeutet. Liebe Kim, vielen Dank für deine tolle Masterarbeit! Du hast gezeigt, dass das Thema Compensation und Benefits in Tandems keineswegs trocken ist, sondern sich dahinter viele spannende und auch emotionale Themen verbergen. Es hat uns sehr viel Freude gemacht, dich bei deiner Masterarbeit zu unterstützen und mit dir dieses Interview zu führen! Vielen Dank!
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